Anmerkungen zu Prinz Joseph
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... Prinz Joseph wurde am 5. Oktober 1702 im Schloß von Erbach (Odenwald) geboren, einer Stadt, etwa so groß wie Hildburghausen, die das Stadtrecht 1321, also drei Jahre früher als seine Namensstadt, erhielt. Er war das fünfte und jüngste Kind von Henriette Sophie von Waldeck (1662-1702) und Ernst von Sachsen-Hildburghausen (1655-1715). Die vierzigjährige Mutter starb zehn Tage nach seiner Geburt im Erbacher Schloss. Die herzogliche Familie war von Hildburghausen nach Erbach gekommen, um den ältesten Sohn, den Erbprinzen Ernst Friedrich I. von Sachsen-Hildburghausen (1681-1724), mit Sophie Albertine von Erbach (1683-1742), nach der das Gut Sopienthal benannt wurde und die später über 15 Jahre ihren Witwensitz im Eisfelder Schloss haben sollte, unter die Haube zu bringen. Als jüngster Sohn eines nicht sehr betuchten Adelsgeschlechts, als Halbwaise noch dazu, als Nachkömmling 21 Jahre hinter dem Erstgeborenen stehend - da blieben drei Möglichkeiten. Entweder der Spross würde Geistlicher oder Militär oder er ging unter. Zunächst der erste Versuch. Ein Theologe mit dem sprechenden Namen Friedrich Pantzerbieter nahm den fünfjährigen Prinzen auf Schloss Erbach in die Hofmeister-Mangel. Erkennbare persönliche Entwicklungen aus dieser Schicksalsgemeinschaft sind lediglich bei dem Theologen auszumachen. Er wurde später Superintendent in Eisleben, noch später in Darmstadt. Der zweite Versuch. Am 3. November 1709 behängte die Verwandtschaft den siebenjährigen Joseph mit dem kurpfälzischen Haus-Ritterorden vom Heiligen Hubertus, eine dekorative Medaille, die die Familienzugehörigkeit derer von Erbach und Waldeck dokumentierte. Es war eine gewöhnliche Geste, pädagogisch wertvoll immerhin. Ansonsten so hilfreich wie Christbaumschmuck. Prinz Joseph trug den Orden später, nachdem er konvertiert war, niemals. Der - wenn wir den Bildern und Beschreibungen glauben dürfen - hochgewachsene und kräftig ausgebildete Kerl, dem als Mann eine unwiderstehliche Anziehung auf bestimmte Frauen nachzuweisen war, starb im 85. Lebensjahr, nachdem er sich standesgemäß nach einem anstrengend hingebrachten halben Jahr eine gewaltige Erkältung zugezogen hatte, die ihn aus dem Leben stieß. Als Ritter vom goldenen Vlies war Prinz Joseph Mitglied eines hochangesehenen Fürstenordens, den der Kaiser höchstselbst noch in seiner Zeitgenossenschaft vor allem an Veteranen der sogenannten Türkenkriege verlieh. In jüngeren Jahren durfte Prinz Joseph an der Militärgrenze auf dem Balkan, wo sich die christlichen Europäer und die muslimischen Osmanen seit 1521 kriegerisch gegenüberstanden, als untergeordneter Truppenführer seine hervorstechendsten militärischen Erfolge erringen. Das Erscheinungsbild des Ordens vom Goldenen Vlies war, der ideologischen Bedeutung der Systemauseinandersetzung entsprechend, pompös. Ein goldenes Widderfell, das an einer goldbordierten und meergrün emaillierten, aus Feuerstahl- und flammenden Feuerstein-Formen gebildeten Kette, gewöhnlich aber an einem ponceauroten Bande getragen wurde, hinzu kam ein hochroter samtener Talar, darüber ein purpurner Mantel mit Saum von weißem Atlas und eine purpurne, goldgestickte Samtmütze. Dieser Aufzug passte ganz und gar zu unserem Geburtstagskind. Deshalb dürfen wir das Ordensmotto Ich habe es unternommen als Motto über dem Leben unseres Prinzen Joseph anbringen. Denn in all seiner Verschrobenheit und großmännisch wilden Denkungsart hat er für die Stadt Hildburghausen manch Gutes getan - und nun wollen wir in angemessener Kürze die mäandernden Gänge seines Lebens verfolgen und sehen, wie es dazu kam.
Im Hause seiner Tante Albertine Elisabeth von Waldeck, der Schwester seiner Mutter, die ihrerseits mit dem Grafen Philipp Ludwig von Erbach-Erbach (?-1720) auf Burg Erbach im Odenwald verheiratet war, wuchs Joseph auf. Als sein Vater 1715 in Hildburghausen starb war er dreizehn Jahre alt. Sein Bruder Ernst Friedrich I. hatte in Hildburghausen eigene Probleme zu bewältigen und so blieb der Heranwachsende bei der Verwandtschaft in Erbach, wo ihn ein alter Soldat, der überall in Europa schon gedient hatte, gezielt auf die militärische Laufbahn vorbereitete und ihn auch nach Wien in die Nähe des kaiserlichen Hofes brachte. Hier fiel er dem Reichsgeneral Friedrich Heinrich Graf von Seckendorf (1673-1763) in die Hände, dessen Familie selbst aus dem Hildburghausener Königsberg stammte und dem Ritterkreis Franken mit Besitzungen bis in den Odenwald hinein angehörte. Dieser später berühmte österreichische Militär und Diplomat richtete den jungen Hildburghausener Prinzen vollends zum Militärhengst ab. Mit fünfzehn Jahren trat Joseph dem Seckendorffschen Infanterieregiment bei und war mit achtzehn bereits Kompaniechef. Weil er sich in kaiserlichen und königlichen Hofsachen, die ja bekanntlich eine eigene Wissenschaft sind, noch nicht sicher war, vertraute sich der jugendliche Prinz Joseph in Wien dem ebenfalls aus dem fränkischen Adel kommenden Johann Christoph Freiherr von Bartenstein (1690-1767) an, der aus Karrieregründen 1715 zum Katholizismus übergetreten war und im Dunstkreis Maria Theresias (1717-1780) schnell Einfluss gewann, bis ihn 1753 der clevere Wenzel Anton Graf von Kaunitz (1711-1794) für die Außenpolitik kaltstellte, er aber als Direktor des Geheimen Hausarchivs nach innen seinen Einfluss behielt. Wir dürfen annehmen, dass Prinz Joseph seine Bekanntschaften sorgsam pflegte und sie ihm für die Zeit seines Lebens zum Kapital gerieten, nicht nur im Hinblick auf seine überaus guten Beziehungen zur Kaiserin. Indes stagnierte zunächst die ganze Sache. War der halbwüchsige Joseph zum Titel eines Kompaniechefs gekommen wie ein Kind zu Masern, so war er zwölf Jahre und etliche Feldeinsätze in Sizilien, Italien und auf dem Balkan später immer noch nichts anderes als Kompaniechef. Inzwischen hatte er im zwanzigsten Lebensjahr auf die Herrschaftsnachfolge in Hildburghausen verzichtet, was ihm von Wien aus nicht sonderlich schwer gefallen sein dürfte. Sein Vorteil war, dass er nichts anderes gelernt hatte als das, was adlige Soldaten eben können. Reiten, mit dem Säbel rasseln, Uniformen anziehen, totschießen und sich totschießen lassen, den Frauen gewisse Dienste erweisen, Saufen, Hunde züchten und was dieser Dinge mehr waren. In diesen Disziplinen allerdings schien der Kompaniechef sich einen gewissen Ruf erworben zu haben. Der Kaiser Karl VI. (1685-1740), der Vater Maria Theresias persönlich, stand als Taufpate an der Seite des fünfundzwanzigjährigen Joseph von Sachsen-Hildburghausen, als dieser sich in der neapolitanischen Kathedrale San Lorenzo Maggiore am Grabmal der Katharina von Österreich zum Katholiken umtaufen ließ und auch zum äußerlichen Zeichen seiner Konversion hinfort all seinen Namen den der Jungfrau Maria noch hinzufügte. Das war die Zeit, als der Kaiser mit weitreichenden kontinentalen Plänen umging und alle möglichen Bündnispartner gegen Frankreich und England gebrauchen konnte, auch den preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740), der noch zwischen den Fronten lavierte, um einen europäischen Krieg zu verhindern. Der Österreicher wollte unbedingt die Pragmatische Sanktion durchsetzen und zunächst den Pariser Präliminarvertrag unter Dach und Fach bringen. Des Kaisers Geste väterlicher Fürsorge dem Sachsen- Hildburghausener gegenüber mag ihre Wirkung über Dresden nach Berlin nicht verfehlt haben. Gleichwohl, soviel ist sicher, es war nunmehr abzusehen, dass die prinzliche Karriere nicht weiter in schlammverschmierten Soldatenstiefeln auf der Stelle treten würde. Zufall oder nicht, jedenfalls rückte Prinz Joseph, der zwar zum stattlichen Offizier und körperlich eindrucksvollen Mannsbild herangewachsen war, doch im Finanziellen eher mager daherkam, dem ältlichen Prinzen Eugen (1663-1736), dem Türkenschlächter, dem Machiavelli von Wien, vor die Augen und der schaute sich den Raufbold nun genauer an, was zunächst zu Beförderungen führte. Joseph avancierte zum Oberst im Palffyschen Infanterie-Regiment, das seinen Namen dem Feldmarschall Karl von Palffy () verdankte, der einst, im Jahre 1694, dem jungen Prinzen Eugen half, zum Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen in Italien ernannt zu werden. Der Palffyschen Truppe ging ein robuster Ruf voraus. Es handelte sich um einen ziemlich wilden Haufen, dem Prinz Joseph nunmehr als Kommandeur voranritt und in dem er sich an der Militärgrenze richtig austoben konnte. Regimentskommandeur und Inhaber - also auch Ausstatter - dieser kaiserlichen Eingreiftruppe, blieb er auf Allerhöchste Gestellung hin bis zu seinem Tode. Die Palffysche Truppenfahne wehte überall dort, wo es brannte, meist in Italien und auf dem Balkan. So konnte es nicht ausbleiben, dass die kaiserlichen Majestäten mehr zu wissen verlangten von den tollkühnen Kerlen, die so gut draufhauen konnten und natürlich von ihrem Anführer. Es gab um diese Zeit so eine für das Leben des Prinzen Joseph überhaupt charakteristische Liebesaffäre. Ihm war eine schöne junge italienische Witwe aus dem neapolitanischen Della-Carra-Clan aufgefallen, die zu all ihren irdischen und himmlischen Vorzügen auch noch ungeahnt üppige finanzielle Polsterungen zählen durfte. An Liebesschwüren scheint es nicht gemangelt zu haben. Am Vorabend der Trauung jedoch verschwand die Braut spurlos. Sie war von ihrer geldgierigen Verwandtschaft, die eigene Pläne mit dem Erbe der Schönen anstellte, kurzerhand entführt worden und unser gedemütigter Bräutigam sah sie nie wieder. So war das in seinem Leben. Wenn es zum Treffen kam, lag etwas quer. Der entscheidende Moment passierte und genau dann ging immer irgendetwas schief. In seinem 32. Lebensjahr wendete sich viel. Der Wiener Hof hatte gerade im Zuge des Polnischen Thronfolgekrieges wieder einmal die Zeichen der Zeit verschlafen und die politische Lage nach schreckhaftem Erwachen überinterpretiert. Der mit einundsiebzig Jahren greise Prinz Eugen, Chef des Auswärtigen, hatte immer wieder beschwichtigend auf den Kaiser gewirkt, er wolle sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der sardische König so dumm sein und sich auf die Seite Frankreichs schlagen könnte. Da es nun aber einmal so gekommen war, schickte der Kaiser eine Armee von Pilzen an den Rhein und hatte mehr Glück als Verstand, denn die geschäftstüchtigen Holländer waren vertraglich mit Frankreich zur Neutralität gezwungen und sahen auch keinen großen Sinn darin, sich in polnische Angelegenheiten zu verwickeln. In Italien allerdings drohte die spanisch-französisch-sardische Koalition Österreich den Garaus zu machen. Prinz Eugen, im Kopf schon etwas klapprig, zog angesichts dieser Gefahr aus Italien zunächst zwei Infanterieregimenter und ein Husarenregiment aus Oberitalien zurück. Nachdem er seinen Irrtum erkannt hatte, lehnte er wohlweislich den Oberbefehl an der Südfront ab mit der Begründung, er könne schlecht als Savoyer gegen seine Landsleute kämpfen - Rücksichten, die ihm im Übrigen früher nie etwas ausgemacht hatten - und ging lieber an den schönen Rhein, wo die Lage übersichtlicher war. Er wusste, so senil war er nun auch wieder nicht, dass es in Oberitalien heiß hergehen würde und auf seine alten Tage wollte er sich den in türkischem Pulverdampf und schweren Balkanstaub gegerbten Pelz nicht vollends verbrennen. So übernahm am Oglio der österreichische Feldmarschall Claudius Florimund Mercy (1666-1734) den Oberbefehl, ein Haudegen, gerade mal drei Jahre jünger als Prinz Eugen, dafür aber völlig taub und nahezu blind. Mercy zog bei Parma 50.000 Mann zusammen, trat den Franzosen und den Sarden tapfer entgegen und starb im Schlachtgetümmel den Soldatentod. Nachdem 6.000 Österreicher gefallen auf dem Felde blieben, zog sich die habsburgische Streitmacht zurück. Nun übernahm Lothar Joseph von Königsegg () die Führung, blies zum Angriff und musste sich seinerseits zurückziehen. Das Königreich Neapel fiel in die Hände der Spanier, ebenso Sizilien. Und am Mittelrhein zauderte und taktierte Prinz Eugen so lange, bis die militärischen Ergebnisse einer glatten Niederlage gleichkamen. In Oberitalien kämpfte auch Prinz Joseph an der Spitze seiner Truppe und holte sich vor Parma einen Oberschenkeldurchschuss und einen Treffer im Gesicht. Sein Degen, so die gerüchteweisen Berichte, soll ihn vor schwereren Verletzungen bewahrt haben, etliche Projektile seien von ihm abgeprallt. In den Quellen werden mancherlei heldische Taten ausgewalzt, von gefangenen Generälen und erbeuteten Kriegskassen ist die Rede und von tollkühnen Kommandounternehmen, bekleistert mit seltsamen Anektoden. Alle laufen auf die übliche Rambo- Geschichte hinaus: Der Einzelheld kämpft tapfer und siegreich, die Armee im Großen und Ganzen jedoch geht unter, beileibe jedoch nicht vor dem Feind, sondern vor der Witterung. Beliebt sind in dieser Hinsicht immer ziemlich kalte Winter, die den Nachschub blockierten, oder endlose Regenfälle, so dass die Kanonen im Schlamm der Zufahrtsstraßen zurückgelassen werden mussten. Unser Held wurde 1735 zum Feldmarschallleutnant befördert. Da waren alle aber schon auf dem Rückzug in Tirol. Nachdem in Wien der Präliminarfriede ausgehandelt worden war, trafen sich in Verona die militärischen Befehlshaber der oberitalienischen Kontrahenten. Prinz Joseph war dabei und soll die Verhandlungen für seinen Kaiser selbstbewusst beeinflusst haben. Das sprach sich herum und dem noch jungen Hildburghausener Militär gelang es, sich als Haudegen ins öffentliche Gespräch zu bringen. Im Genealogisch-Historischen Archiv von 1737 (32. Teil), in dem sächsischen Erlauchten die Heiligenscheine aufgesetzt wurden, sind Verdienste und Legenden zu einem biographischen Boulevard-Artikel zusammengerührt, der auch heute einem der bunten Blätter entnommen sein könnte: Der General-Feldzeugmeister: Joseph Friedrich. Printz von Sachsen-Hildburghausen. In diesem Printzen regt sich das Blut der alten Sächsischen Helden auf eine sehr ausnehmende Weise. Er ist vor vier Jahren erst General-Feld-Wachtmeister worden, und gleichwohl gibt er ietzo schon einen commandirenden Feld-Herrn ab, jedoch wenn man erweget, was er an dem tapffern und klugen Grafen von Seckendorff, der ihn zuerst mit zu Felde genommen, und anfangs beständig unter seiner Aufsicht gehabt, vor einen vollkommenen Lehrmeister in der Kriegs-Wissenschaft und Helden-Arbeit gehabt, der wird sich so sehr darüber nicht verwundern, zumal wenn man diesen vortrefflichen Printzen nach seinen persönlichen Eigenschafften zu kennen das Glücke hat. Er ist hertzhafft, kühne, listig, und von einer scharfen Penetration (Durchsetzungsfähigkeit,K.B.). Die Anschläge der Feinde weiß er glücklich zu entdecken, scheuet keine Gefahr, ist geschickt, allerhand erlaubte Kriegs-List zu erfinden, auch behertzt, solche auszuführen. Er giebt daher einen guten Partheygänger ab, und hat in dem letztern Kriege in Italien mehr als einmal die Feinde mit seinen listigen Erfindungen berücket. Die kühne Expedition wider den Marschall von Broglio an der Secchia würde der Graf von Königseck schwerlich unternommen haben, wenn nicht der Printz von Hildburghausen den Tag vorher als ein verkleideter Tobacks- und Brantewein-Händler das Frantzösische Lager bei Quistello rekognosciret hätte; und der Marquis von Mailebois würde im Oktober Anno 1734 von Mirandola nicht so eilig wieder abgezogen seyn, wenn nicht eben dieser verschlagene Printz ihn durch seine listig ersonnenen höltzernen Canonen erschrekt hätte. Er schlug auch Anno 1735 die Spanier von ihren Postirungen an der Etsch und Secchia mit großen Verlusten zurücke. Er ist noch jung, und allererst 35 Jahre alt; daher zu hoffen steht, daß, wenn er mit seinen Kriegs-Thaten so glücklich fortfähret, er mit der Zeit ein anderer Printz Eugenius werden dürffte. Die Frantzosen haben wenigstens darauf praeludiert, wenn sie ihn in Italien insgemein nur Le grand Saxe genennet. Darauf lief es also hinaus: ein Sachse sollte auch so etwas zuwege bringen wie der Printz Eugenius. Ein gewiefter Sachse wäre angesichts dieses heraufkommenden eigenwilligen Preußenkönigs, der sich der Protektion von Prinz Eugen zu Nutz und Frommen Österreichs sicher sein durfte, ein gewisses Gegengewicht, sowohl nach innen als politischer Pfand als auch nach außen zur Verbreitung eines zeitgemäßen Images. Prinz Joseph wusste von den unzuverlässigen Preußen ein Lied zu singen. Er hatte vor Jahr und Tag aus Siebenbürgen vier Lange Kerls nach Berlin expedieren lassen. Als er den preußischen König - den Soldatenkönig und Vater Friedrichs II. immerhin - an sein Versprechen auf den Erwerb eines Amtes und die Auszahlung von 600 Gulden erinnerte, ward ihm keine Antwort zuteil. Das Amt konnte er in den Wind schreiben, die 600 Gulden bekam er nicht. Und was aus den vier mühsam zusammengefangenen langen Grenadieren in Preußen geworden war, wusste der Teufel. 1736 starb Prinz Eugen und Prinz Joseph durfte bei der Beerdigung neben anderen Generälen, die unter dem Kommando des Verstorbenen im Felde gestanden hatten, das Bahrtuch mittragen. Zu dieser Zeit war aus dem Gouverneur, also dem Orstkommandanten, von Komorn an der Donau, dem heutigen Komarno, Durchfahrtstation auf halbem Weg der Norduferstraße von Bratislava nach Budapest, der Oberbefehlshaber der florentinischen Truppen im Großherzogtum Toskana geworden. Und gleich nach dem Begräbnis des Türkenschlächters Eugen erhielt er die Beförderung zum Reichsfeldzeugmeister. Das hieß, in dieser Stellung fand er direkt beim kaiserlichen Rat Gehör und suchte dank dieses Umstands reformerische Projekte durchzusetzen. Des Prinzen Joseph Ruf als Haudrauf nutzend, ließ es sich der kaiserliche Rat denn auch angelegen sein, ihm 1737 ein Sonderkommando an der kroatischen Militärgrenze auf dem Balkan anzuvertrauen. Im Vorjahr schon war im österreichisch-türkischen Grenzgebiet in Kroatien eine gewisse Unruhe zu spüren gewesen. Unzufriedenheit schien hervorzubrechen. Die Orstvorsteher kündigten an, wenn sich nichts an ihrer sozialen Lage verbessere, begäben sie sich allesamt unter türkischen Schutz. Der Kaiser nun gab dem Prinzen Joseph auf, den vermeintlichen Unruhestiftern einige neue Gesetze nahezubringen, ihnen auch zu erläutern, was es hieße, gegen österreichisches Kriegsrecht zu verstoßen und was der Kaiser in eigener Person unter Gehorsam und Ordnung verstünde. Den Auftrag bearbeitete der Prinz auf seine Weise. Er befahl den zusammengetriebenen Ortsvorstehern nach einer gehörigen Standpauke, zum Einverständnis dessen, was er ihnen als kaiserlichen Willen kundgetan, ihn selbst unter lauthals herausgeröhrten Freuderufen dreimal in die Luft zu werfen. Würde solches getan, sei nachher ein gewaltiges Besäufnis die Besiegelung dessen, was gewissermaßen vereinbart worden war. Die Vorstände warfen den Prinzen in die Luft, bekundeten angemessen ihre Zuwendung dabei und schritten, nachdem in allen Kirchen der obligatorische griechisch-orthodoxe Gottesdienst abgehalten worden war, unter dem Böllerdonner der versammelten österreichischen Kanonen zum Besäufnis, das sich hinzog und nachhaltige Auswirkungen hatte. Von Unruhen war aus dieser kroatischen Grenzgegend fortan nie wieder zu hören. Ein solcher Erfolg war wichtig. Denn noch im gleichen Jahr 1737 begann ein erneuter Feldzug gegen die Türken in Bosnien, bei dem Prinz Joseph das 17.000 Mann starke slavonische Korps befehligte und die Truppe bis vor die Festung Banja Luka, tief im osmanischen Operationsgebiet, führte. Die Eroberung der Zitadelle gelang nicht, zumal der Pascha von Travnik mit einer Übermacht heraneilte, um die Festung zu entsetzen. Der Feldzug schlug fehl. Doch auch hier zeigte sich wieder das gleiche im Bild: Der tapfere Prinz und die sich zurückziehende Armee. Auch hier wieder der Vergleich mit dem Prinzen Eugen von Savoyen. Als äußerliches Zeichen des Erfolges erhielt Prinz Joseph vier Monate nach seinem Auszug, die Türken das Fürchten zu lehren, die Ernennung zm Ritter des Goldenen Vlieses. Das war in seinem 35. Lebensjahr und die Bestätigung einer sehr hohen kaiserlichen Wertschätzung. Denn dieser Orden galt als das edelste Schulterklopfen, das der Kaiser zu vergeben sich die Ehre gab - natürlich nur an erlauchte Häupter, die Herren von und zu blieben da gemeinhin unter sich. Seit dem Tod des bayerischen Herzogs Ferdinand Maria im Jahre 1738 war die Stelle des Generalfeldzeugmeisters vakant. Nun, nachdem der tote savoyische Löwe Prinz Eugen seinen Sonnenglanz auf den Prinzen Joseph warf, fanden es ihre kaiserliche Munifizenz 1739 für angemessen, sich in ihm eines neuen Reichsgenerals zu versichern. Prinz Joseph bewarb sich, höchstwahrscheinlich noch im Hochgefühl des Prinz-Eugen-Fiebers seiner Gattin und in Überschätzung seiner tatsächlichen Fähigkeiten. Möglich auch, dass der Gedanke darein spielte, er müsse seinem geliebten Kaiser Karl VI. (1685-1740) gleich dem teuren verblichenen Onkel einen weithin sichtbaren Treuebeweis liefern. Am 20. April 1739 wurde er, was er zu werden vorgab, Reichsgeneralfeldzeugmeister. Als der Kaiser ein gutes Jahr später starb, folgte ihm seine Tochter auf der Grundlage der Pragmatischen Sanktion auf dem Thron. Gutes Wetter für Prinz Joseph. Maria und Joseph mochten sich. Sie war eher praktisch veranlagt und direkt, er eher grob und geradezu - und so protegierte sie ihn auf Schritt und Tritt. Nicht auszuschließen, dass sie auch seine reichhaltige Ehe anbahnte. Keiner denke an Zufall, wenn er hört, dass der erste Sohn Maria Theresias Joseph hieß und als Joseph II. (1741-1790) im Jahre 1765 den Kaiserthron bestieg. Ihr sei während der Schwangerschaft hin und wieder der Heilige Joseph erschienen, dem sie sich anempfohlen habe. Doch wie, könnten wir fragen, sah der Heilige aus in den Träumen der Kaiserin? War er groß gewachsen wie ein gewisser Reichgeneralfeldzeugmeister? Hatte er eine starke Nase und einen stiernackigen Habitus? Eine Antwort gibt uns die Liste der Taufpaten für den Habsburger Erben: Der Kardinal Sigismund Graf Kollonitsch (1677-1751) vertrat den Papst Benedikt XIV. (1675-1758). Weder der Kardinal noch der Papst konnten einem Joseph ähnlich sehen. Joseph Maria Friedrich Wilhelm Hollandinus Prinz von Sachsen- Hildburghausen trat als Stellvertreter des Königs von Polen und Kurfürsten von Sachsen August III. ans Taufbecken. Die sächsische Majestät weilte in Dresden und Maria Theresia hatte ihn, nach allem was wir wissen, noch nie gesehen. Auch er kam für kaiserliche Joseph-Träume nicht in Betracht. Der Ruf eines tapferen Kriegers wehte Prinz Joseph voran und so wurde er von den wählenden Adelshäuptern, die die Reichsgeneräle beriefen, mehrheitlich akzeptiert, sogar der preußische Soldatenkönig stimmte für ihn - vielleicht, weil er dabei an seine Schulden von den vier langen Kerls her gedacht haben mag. Die Aufgabe im militärischen Reichsamt war aber sowohl undankbar als auch aufreibend. So soll Prinz Joseph schon nach zwei Jahren in seiner feinen Art resigniert haben, lieber wolle er ein Rudel Hunde zum Grasen führen als weiter den Reichstrottel machen. Er quittierte den Dienst und suchte fluchtartig seinen gewohnten Lebensrhythmus im österreichischen Heer. Auch hier beobachten wir das Treffen und den Rückzieher kurz darauf. Die sogenannte Militärgrenze brachte dem Prinzen Joseph diejenigen Meriten ein, die seinen Ruf am Hofe festigten und sein Image bis ans Lebensende bestimmten. Hier konnte er als Außenseiter die Möglichkeiten, die ihm persönlich zur Verfügung standen, ganz und gar ausspielen. Die Militärgrenze war ein Ausnahmeraum, ein Gebiet, auf dem die Gesetze des Staates, ja mehr noch der Zivilisation für nichts galten. Hier schuf sich die Wehrorganisation ihren eigenen Staat und Prinz Joseph war in seinem Element. An der Grenze des habsburgischen Territoriums zu dem der Osmanen auf dem Balkan verlief sie zur Zeit unseres Helden ungefähr auf der West- Ost-Linie von Istrien über Bihac, die Save entlang bis zum Eisernen Tor bei Orsova, an den Südkarpaten hin bis über Kronstadt hinaus und dann nach Norden in die Bukowina hinein bis auf die Höhe von Bistritz, runde 1.750 Kilometer lang. Das Gesamtgebilde war unterteilt in die kroatische, die slavonische, die Banater und die siebenbürgische Militärgrenze. Prinz Joseph war in der kroatischen Militärgrenze zu Hause, die von Jasenica an der Adria und Knin, an der Una entlang, an Bihac vorbei nordwärts bis an die Drau bei Varasdin führte und sich dort der slavonischen Militärgrenze anschloss. In diesem oft hundert und mehr Kilometer breiten Grenzstreifen herrschte ein eigenes Organisations- und Verfassungsstatut. Die dort mit ihren Familien lebenden Bauernsoldaten waren zu permanentem Waffendienst in ihren jeweiligen Grenzregimentern verpflichtet und blieben für ihren Dienst abgaben- und steuerfrei. Die Höfe, auf denen sie naturgemäß in ständiger Gefahr, von den türkischen Truppen angegriffen zu werden, lebten, hatten den Ausnahmestatus eines Militärgrenzlehens. Prinz Joseph, der sich in Kroatien wohl fühlte und seine Wehrbauern kannte wie keiner sonst und auch ihre Sprache beherrschte, hatte während seines Wirkens im Bereich der Militärgrenze von 1744 bis 1749 die Idee, die familiären Verbünde organisatorisch den Linienregimentern der k.u.k. Armee gleichzustellen und dem Vorstand Kommandeurvollmacht zu geben. Die einzelnen Kommandogliederungen konnten auf solche Weise militärisch selbstständig handeln und den osmanischen Truppen auf ihrem eigenen Operationsgebiet einen permanenten aufwändigen und zermürbenden Kleinkrieg liefern. Diese taktische Neuerung sollte für die Zukunft - ja im Wesentlichen bis heute - für diesen geographischen Raum von ausschlaggebender Bedeutung sein. Denn in gewisser Weise erfand und zementierte Prinz Joseph auf dem Balkan damit die Methode des Partisanen- oder Guerilla- Kampfes. Diese Art des Krieges wurde im Übrigen dann erst sehr viel später, nämlich im spanischen Unabhängigkeitskrieg gegen Napoleon 1808, als Erscheinung des Kleinkrieges, was ja nichts anderes als der spanische Begriff Guerilla bedeutet, mit diesem Namen belegt und weltpolitisch als Form des Verteidigungs- und Befreiungskrieges wahrgenommen. Unserem Prinzen Joseph, dem lediglich eine straffere militärische Organisation und eine effizientere Führung im Sonderraum an der Militärgrenze vorschwebte, war die weitreichende Bedeutung seiner Erfindung ganz gewiss nicht bewusst, wie sie auch in militärgeschichtlichen Erhebungen bislang kaum eine Rolle spielte. Deshalb haben wir Gelegenheit, heute Abend wenigstens in einer Anmerkung sozusagen doch noch eine Welturaufführung zu reklamieren: Unser Held erscheint im hellen Lichte einer weltpolitischen Dimension. Nämlich als erster praktischer Anwender der Doktrin des Partisanenkrieges - auch wenn ihm dieser Umstand als Begriff von dieser eigenartig-einmaligen Sache gar nicht bewusst gewesen sein dürfte. Dennoch ist sie bis in die jüngsten politischen Ereignisse hinein auf dem Balkan lebendig geblieben. Sie gehört - angesichts der damit verbundenen enormen aktuellen politischen Probleme ein wenig unbeholfen gesprochen - von Kroatien über Bosnien bis in die Bukowina hinein sozusagen zur wehrhaften Lebenserscheinung und bestimmt auch heute das spezifische soziale Klima der Balkan-Region maßgeblich mit. Die auf diese Weise geschmiedete Klinge war für das persönliche Leben unseres Partisanen-Helden zweischneidig. Obwohl er mit dieser Reform der Organisationsstruktur an der Militärgrenze sich bis nach Wien den Ruf eines Sachverständigen in taktischen Fragen militärischer Praxis erwarb, fiel ihm sein Neuerungseifer aus ganz anderen, nämlich typisch österreichischen Gründen doch auch auf die Füße. Die Grenzbauern im Sondergebiet waren unter militärischen Gesichtspunkten keine Söldner, sondern eine geborene Mischung aus Miliz und Wehrpflichttruppen - in gewisser Weise zivile Soldaten oder soldatische Zivilisten - Partisanen eben. Sie waren, was ihre von Amts wegen aufrecht erhaltene und geforderte organisatorische Existenz und ihre Lebensweise betraf, Ausnahmeerscheinungen im Verhältnis zu Österreich-Ungarn und zum übrigen Reich, und im Verhältnis zum österreich-ungarischen Militär und zu den im Reich existierenden Armeen ohnehin. Die Aura des Partisanentums umschwebte alle, die mit der Militärgrenze in Berührung kamen, schon gar, wenn sie sich dort ausgezeichnet hatten. Den langweiligen, überschaubaren und wohlreglementierten regulären Truppen, die sich ja weitaus in der Überzahl befanden, waren die Militärgrenzer ihrer kaiserlichen Gunst-Privilegien, ihrer Großschnäuzigkeit und ihrer Unbändigkeit halber ein von Neid durchdrungenes Misstrauen wert. Die Grenzer galten als unberechenbar, ihrem Wesen nach als Aussätzige, sie waren die Schmuddelkinder des k.u.k. Militärs. Die Militärgrenzen-Offiziere hatten zwar dem Generalkriegskommissariat gegenüber gute Karten. Doch waren sie hier auch isoliert von der übrigen Truppe, was bedeutete, dass sie vom übergroßen Teil der Reichs-Militärmaschinerie geschnitten und für Beförderungen und andere karriereförderliche Maßnahmen erst gar nicht vorgesehen wurden. Die Idee des Kleinkrieges und seiner militärorganisatorischen Durchsetzung war denn doch zu gewöhnungsbedürftig für die Altherrenriege mit ihren Versammlungsbasen, Marschetappen, Stellungen, Magazinen, Verbindungslinien und Festungen. Das Kriegführen bestand für diese Strategen nicht im Draufhauen und Verfolgen, im Hetzen und Siegen, sondern in einem komplizierten Planspiel und Regelwerk, neben dem sich die logische Folge eines Schachspiels zweier Großmeister ausnimmt wie eine Partie Mensch-Ärgere-Dich-Nicht. Auch an dieser barocken strategischen Doktrin ist Prinz Joseph letzendlich bei seinem niederschmetternden Treffen mit Friedrich II. nahe Rossbach gescheitert. Er sah sich nicht in der Lage, diesen schwerfälligen Leviathan von einer Reichsarmee auf Trab zu bringen, sie zum schnellen Handeln zu bewegen. Er war ein Partisanenkommandeur. Um im Bild zu bleiben: Als Partisan war er an die aufbrausende Bewegungsform des Achal Tekkiners, einer edlen Araberrasse gewöhnt. Als Oberkommandierender der Reichsarmee musste er sich mit dem schweren Temperament eines bedächtig mit den Schinken wackelnden kaltblütigen Norikers begnügen und das war ihm fatal. Überhaupt waren heiße Pferde seine Leidenschaft, wie er sich gern mit aufsteigenden Hengsten porträtieren ließ. Doch im wirklichen Leben war die abgewirtschaftete Schindmähre sein Schicksal. Mit dem Ornat des Goldenen Vlieses und seinem Ruf als rauhbeiniger Schlagetot von der Militärgrenze war er nun ein wirklich standesgemäß herausgeputzter Ritter von der aufrechten Gestalt. Sein der adeligen Standesehre verbundenes Kapital war auf relativ sicherer Basis akkumuliert - mit einem, nein zwei kleinen Makeln. Erstens: Er war nicht verheiratet. Und so konnte er auch kein Haus führen, wo sich die Haute volee zum Salon einfand und all die verschwiegenen Treffen zur Pflege karrieristisch mitreißender Beziehungen angezettelt und wohlgezielte Intrigen geschickt angerührt werden konnten. Der zweite Makel wog schwerer. Er hatte kein Geld. Er lebte vergleichsweise bescheiden von seinem Sold, die finanziellen Aufwendungen für sein Regiment waren erborgt. Wir beobachten ihn auf frischer Tat und können uns auch hier auf das allgemeingültige Prinz-Joseph-Prinzip des Treffens und des letztendlichen Rückzugs verlassen. Beherzt also schritt unser stolzer Grenzgeneral zur Kür einer Braut. Wie nicht anders zu erwarten war die auch noch stinkreich. Natürlich hatte die Sache einen Haken. Die Braut war schon etwas älter. Einige Jährchen. Naja, eigentlich schon viele Jahre. Also, beim Licht der medizinischen Geschichtsschreibung besehen hatte sie laut der allgemein gültigen Statistik der individuellen körperlichen Entwicklung in dieser Zeit die Wechseljahre bereits ungefähr seit 7,5 Jahren glücklich überwunden. Genau genommen war sie schon 54. Doch - was für eine Partie. Sie hieß Anna Victoria von Savoyen-Carignan Gräfin von Yvoi und Soissons von Frankreich (1684-1763) und war keine geringere als die Nichte des Türkenschlächters Prinz Eugen von Savoyen. Die punktgenaue Landung bestand darin, dass die Dame die Erbin des Vermögens des Prinzen Eugen war und das hatte nach allem, was darüber zu finden ist, unermessliche Dimensionen. Eigentlich hatte Prinz Eugen, der mit sich und seinen Schlachten genug zu tun hatte und also keine Zeit, Weibern und anderem Gedöns seine knappe Freizeit zu opfern, seinen Großneffen Johann Eugen Franz (1714-1734) zum Haupterben eingesetzt. Der junge Mann allerdings starb zwanzigjährig im November 1734 und der - wie schon gesagt - schon etwas tüttelige Prinz Eugen versäumte es, ein neues Testament aufsetzen zu lassen. Nun fiel das ganze bewegliche und unbewegliche Gut an die einzige noch lebende Angehörige, eben Victoria, die Tochter des Bruders. Diese war zeitlebens ledig geblieben, hatte ihre Zeit in einem Kloster verbracht und war nun Herrin über das Belvedere und das Stadtschloss in Wien, die Residenz Schlosshof und die Güter auf dem Marchfeld zwischen Bratislava und Wien, die eugenische Bibliothek und Gemäldesammlung und ein Barvermögen im höheren achtstelligen Bereich. Die Reiche und der Held fanden sich dort zusammen, wo die Reiche an der Heldenehre und der Held am Reichtum - im neudeutschen Ökonomenchinesisch gesprochen - komparativ miteinander kommunizierten. Prinz Joseph konnte mit seiner barocken Statur zwar von fern Eindruck bei Frauen schinden, dennoch stellte er keinen schönen Mann im landläufigen Sinne vor. Er mag der ganzen Geschichte mit der Dame von vornherein misstraut haben, wie ja auch im Nachhinein von Schauspielerinnen und Sängerinnen in seiner Nähe schon, von Standesfrauen eher nichts zu hören und zu sehen war. Im öffentlich-gesellschaftlichen Umgang konnte er durchaus galant und charmant sein, doch zu Hause war er doch lieber unter Uniformbrüdern, kroatischen Saufbauern oder mit seinen Jagdhunden zusammen. Bevor er sich also das zarte Ja-Wort abverlangen ließ, nötigte er die Braut, ihm die Güter und die Residenz Schlosshof im Gesamtwert von nahezu einer Million Gulden und ein für den Betrieb der Anlagen nötiges Taschengeld von etwa 300.000 Gulden vertraglich zu überschreiben. Was die Heiratswillige auch unumwunden tat. Damit, das war gewiss, konnte diese Ehe wenigstens für sein weiteres Auskommen gut sein. Außerdem schenkte ihm Victoria das Schwert des Prinzen Eugen, ein wertvolles Geschenk der Königin Anna von England (1665-1714), ein Indiz dafür, dass die Braut meinte, Prinz Joseph werde mit diesem Ehrenzeichen militärischen Wirkens stolz in den teuren Fußstapfen ihres verblichenen Verwandten einherwandeln. Nun, Verliebten ist nicht zu raten. Doch so viel können wir vorgreifen: Erfüllt haben sich diese Hoffnungen auf die Eugen-Nachfolge nicht. Im Türkenkrieg, wir sahen es bereits, war die Sache so lala ausgegangen, und den Erfolgen an der Militärgrenze blieben allenfalls Würdigungen im kleineren Kreis vorbehalten. Als Oberbefehlshaber der Reichsexekutionsarmee war Prinz Joseph eine glatte Fehlbesetzung. Und auch mit dem Gedöns hielt es nicht lange an. Denn sechs Jahre nach der standesgemäß prachtvoll, doch auch verschämt still am 17. April 1738 in Schlosshof abgefeierten Hochzeit bat die von dem massigen Grobian enttäuschte Victoria nach ohnehin schon zwei Jahren getrennter Wege um die Scheidung. Das Geschenkte behielt er natürlich. Denn das Geld - Maria Theresia kaufte ihm Schlosshof ab, damit das teure Erbe des Prinzen Eugen nicht in unwillkommene Hände geriete - konnte er nur zu gut brauchen. Schließlich hatte er gesellschaftliche Verpflichtungen. Immerhin lebte es sich mit Geld angenehmer als ohne, gleichgültig woher es kam, denn bekanntlich stinkt es nicht. Die der Welt recht fremd gebliebene Victoria starb 1763 ziemlich ärmlich im achtzigsten Lebensjahr. Sie konnte noch nicht einmal ein Grabmal für ihren Onkel, den Prinzen Eugen bezahlen, der ihr all die enormen Reichtümer hinterlassen hatte. Prinz Joseph indes ließ sich ohne Zögern rechtzeitig als Besitzer der geschenkten Schlosshof-Immobilien eintragen und siedelte auf dem Grund Familien von seiner kroatischen Militärgrenze an. Die wilden Bauern dankten ihm die erwiesenen Wohltaten, dass er ihnen Land gab und sie aus dem permanent unsicheren, von täglichem Terror erschütterten Militärbezirk aufs beschauliche Marchfeld holte, mit unbedingtem Gehorsam. Sie waren brav und redeten ihn auch stets mit Herzog an, eine kleine Schwäche, mit deren Hilfe der Chef sich die Seele pinseln und ihn butterweich werden ließ - und der er auch in Hildburghausen, wo er so richtig einen guten Herzog spielen durfte, nicht entraten mochte. ...
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