Texte
 
Zwischenfall auf östlicher Alm
(...)
2. IM LANDRATSAMT

Drafgenger, Schwetzig.
Drafgenger: Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt, so was. So eine Sauerei. Ich trete zurück. Warum schlage ich mich hier überhaupt herum mit Leuten, die ich gar nicht kenne. Das ist doch tiefstes Afrika. Unten bei den Wilden. Beurlauben Sie mich bitte, damit ich gleich meine Deminsion beim Innenminister einreichen kann. Ich habe die Schnauze gestrichen voll.
Schwetzig: Sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Kaum wird es ein bisschen mulmig, schon schreien Sie nach Suspension. Im schönen Sauerland, den Heiland an der Wand, da lässt es sich weiß Gott bequemer von Revolution und Bürgerrechten faseln. Da ist die Freiheit noch wunderschön. Es ist wohl etwas anderes, hier seinen Mann zu stehen und der Geschichte ins Auge zu blicken. So von Angesicht zu Angesicht. Die Sonntagsreden mit den vielen Wir haben alle gemeinsam... und Wir müssen die Gunst der Stunde... kommen dann nicht so schnell hinterher.
Drafgenger: Die da draußen haben keinerlei Achtung vor meinem Amt. - Herrgott! - Meine Autoritität ist gleich gar nichts mehr wert. Mit Gloria, nein, mit Halleluja sind die mir noch im Jahr nach der Einheit gekommen, die Schleimscheißer in den Verwaltungen und die dicken Ärsche von den Parteien, und haben mir die Hände geschüttelt. Duckten hinter meinem Rücken ab, wenn zum lustigen Paragraphenreiten geblasen wurde. Wo sind die denn jetzt alle? Im Verstecken haben die Erfahrung! So haben die es doch ´89 schon gemacht! - Jetzt beschmeißen mich die Schulkinder mit Eiern und faulen Tomaten. In meiner Polizeiinspektion wüten ihre Alten wie die Vandalen. Was soll ich denn machen. Sie werfen Ermittlungsakten aus den Fenstern. Verbrennen sie im Hof zusammen mit den Akten und Bescheiden von der Stau-Behörde. Das Stasizeug und die Unfallberichte - alles auf einem Scheiterhaufen. Aus dem Querflügel fliegen die Katasterbücher wie Fledermäuse aus den Fenstern. - Das Feuer schießt auf. Nur weil die Ämter zufällig im gleichen Gebäude untergebracht sind. - Wo soll das hinführen? Das ist Anarchie. Das ist Revolution. Dafür bin ich nicht ausgebildet. Wir, Herr Landrat, zielen über Kimme und Korn! Dafür übernehme ich die Verantwortung nicht! Ich bin Polizist und kein Politiker oder sonstwas!
Schwetzig: Machen Sies halblang, Drafgenger, fassen Sie sich, Mann! Die Leute lassen Dampf ab! Wie ´89, das haben wir hier alle durch. Wichtig ist, wir behalten die Kontrolle. Vor allem über das, was nach außen dringt! Verstanden, Drafgenger!? Haben Sie das kapiert?
Drafgenger: Ich verstehe gar nichts.
Schwetzig: Heiligs Einfältle! So ebbes ist euch im stillen Sonthofen nicht unterkomme, gell? - Merken Sie sich: Hier gibt es lediglich eine kleine Unstimmigkeit mit ein paar Rowdies, sonst nichts!
Drafgenger: Glauben Sie im Ernst, Sie kommen damit durch?
Schwetzig: Ein paar übergeschnappte Hooligans. Das ist erstmal alles. Hooligans sind jetzt groß in Mode. Können Sie mir folgen? Die können Sie vor allen Dingen auch gnadenlos zusammendreschen. Notfalls auch vor laufenden Kameras. Da bekommen Sie noch Beifall von der Menge. Von den Superpolitikern sowieso. Jetzt scheißen Sie sich nicht in die Hosen und gehen Sie zu Ihren Leuten. Aufgabe eins, die Rüpelutionäre scheuchen und beschäftigen, klar? Aufgabe zwei, die dürfen auf keinen Fall dazu kommen, sich einen Rädelsführer zu suchen oder sich irgendeinem Großmaul anzuhängen. Lassen Sie die Videokameras laufen bis sie qualmen. Später greifen wir sie uns.
Drafgenger: Das klappt ja nun nicht mehr.
Schwetzig: Wieso nicht?
Drafgenger: Weil sich das Großmaul schon gefunden hat.
Schwetzig: Wer?
Drafgenger: Kösewitz oder so ähnlich.
Schwetzig: Nie gehört.
Drafgenger: Soll ein abgebrochener Pfarrer sein, der als Korbflechter arbeitet.
Schwetzig: Kösteritz! Ludwig August Kösteritz! - Als hätte ich es geahnt, dass mir das Arschloch nochmal Ärger macht.
Drafgenger: Der steht auf dem Marktbrunnen und predigt den Leuten, sie sollen den neuen Konolialherren zeigen, was Macht des Volkes und Demokratie bedeuten. Die unten brüllen: Wir waren das Volk! Und: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit! Und: In den Staub mit Staub! Und: Die Grenzsteine bleiben wo sie sind! Kein Fußbreit Land an die Adels-Zecken!
Schwetzig: Was ist das? Landfriedensbruch? Anstiftung zum Aufruhr? Volksverhetzung?
Drafgenger: Ich weiß nur, dass das nicht gut ausgeht. Auch für uns nicht!
Schwetzig: Haben wir nun Demokratie oder nicht? Also müssen wir dafür sorgen, dass der Unfug ein für allemal aufhört. Demokratie, das bin jetzt ich. - Schweinebacken! - Arschlöcher! - Die gehören zusammengeschossen. Das sind ja schon irische Verhältnisse! Das in meiner Kreisstadt! Drafgenger, entschließen Sie sich zu geeigneten Maßnahmen!
Drafgenger: Zu Befehl, mein Führer! Welchen, wenn ich fragen darf, Herr Landrat Schwetzig?
Schwetzig: Lassen Sie gefälligst dieses alberne Getue! Einkesseln und neutralisieren! Das werden Sie doch wohl noch hinbekommen mit Ihrer Elitetruppe. Immerhin sind Sie aufs modernste ausgerüstet. Da werden Sie doch wohl den Marktplatz in einer so gottsjämmerlichen Klitsche wie Hohnfeld in Schach halten können!
Drafgenger: Es ist nicht mehr nur der Marktplatz. Die ballern auch schon in den umliegenden Nestern herum! Begreifen Sie das immer noch nicht!?
Schwetzig: Warum kann mir keiner sagen, was wirklich los ist? Alles muss ich alleine machen! Verdammt, Drafgenger! Reißen Sie sich am Riemen. - Womöglich geht es ums Überleben. Alarmieren Sie die Feuerwehren und die Rettungsdienste! Die müssen uns bei der Stange bleiben. Wenn das nichts nützt, dann müssen wir drakonisch werden.
Drafgenger: Auf Ihre Verantwortung, Herr Landrat Schwetzig!
Schwetzig: Ach, gehen Sie in Gottes Namen zum Teufel, Drafgenger!
Drafgenger: Wir werden als Noskes Enkel in die Geschichte eingehen und bestenfalls in der Zeitungshölle braten. Und zwar ganz langsam. Gott befohlen, Herr Schwetzig.
Schwetzig: Schließen Sie die Tür, Drafgenger!

Schwetzig, Schlägelmilg.
Schwetzig: Mit solchem Beamtenschrott soll unsereiner die Bestie zähmen. In Backnang haben sie ihre Nullen gestrichen und wir müssen mit ihnen fertig werden. So viel Selbstbeherrschung kann keiner haben, um nicht einmal herauszuschreien, was er von diesen..., diesen... denen hält! - Was braut sich in der Stadt zusammen? - Da braucht es eine straffe Gegenwehr. - Nicht auszudenken, wenn die Zeitungen Wind davon bekommen. - Da ist es aus mit der glatten Durchfahrt auf dem Weg nach oben, Liebling. Aus mit der feinen Gesellschaft und dem High-Society-Gequatsche. Dem Lions-Club-Getue und dem ganzen Firlefanz. - Ja, du verlierst deine Freunde. Wie wärs, wenn deine Freunde vor die Bestie hintreten und mit gewählten Worten die edelsten Aussichten präsentieren und die allenthalben im Blühen begriffenen Landschaften zum x-ten Male an die grauen Wände malen? - Ja, ich ziehe meinen sozialdemokratischen Hals wieder aus der Schlinge, aber so klar ist noch nicht, ob ich der Bluthund weiter sein will...
Schlägelmilg: Herr Landrat, Herr Landrat, bleiben Sie hier, um Gottes Willen...!
Schwetzig: Nur die Ruhe, Frau Schlägelmilg, wo brennts denn?
Schlägelmilg: Ich verstehe nicht, Herr Landrat!? Da draußen ist Revolution! Der Kösteritz steht wie Lenin leibhaftig auf dem Markt und predigt von Aufstand und Kanzlerlügen und Wahlversprechen oder -verbrechen, ich weiß nicht, irgendwas! Die rücken an und schlagen alles kurz und klein!
Schwetzig: Frau Schlägelmilg, bitte. Wir haben die Sache im Griff. Der Drafgenger war hier. Ich weiß Bescheid. Er wird geeignete Maßnahmen ergreifen. Wozu haben wir denn die Polizei?
Schlägelmilg: Ach, sowas habe ich überhaupt noch nicht erlebt. Das ist ja wie in dem Film, wie heißt er denn gleich...?
Schwetzig: Lenin in Polen?
Schlägelmilg: Dass Sie auch noch Witze machen können. Sie sollten sehen, dass Sie hier herauskommen. Denn wenn die anrücken, die reißen Sie in Stücke oder noch schlimmer.
Schwetzig: Dann war es wahrscheinlich Gehetzt bis in den Tod mit Clark Gable in der Hauptrolle.
Schlägelmilg: Die haben Waffen! - Ich habe keine Lust, Ihrer Frau zu sagen, dass Sie...
Schwetzig: Dass sie mich von der Hofmauer kratzen soll, nicht wahr? - Packen Sie die Notfallakten zusammen und den ganzen Kram aus dem Panzerschrank. Vorerst bleiben wir, wo wir sind. Ich weiche nicht. Sollte die Kanaille doch angreifen, dann sehen wir zu, dass wir verschwinden, zuerst mal auf den Gräfenfels. Rufen Sie bei sich zu Hause an. Ich brauche Sie jetzt bei mir, solange das Theater da draußen dauert. Wir werden das schon schaffen.
Schlägelmilg: Aber Chef, wir hatten Karten für die Lustigen Musikanten heute abend in der Kongresshalle.
Schwetzig: Frau Schlägelmilg! Wollen Sie mich verarschen?!
Schlägelmilg: Nein, Chef, ich rufe sofort an! Aber eigentlich könnten Sie doch auch vom Gräfenfels aus die ganze Sache leiten...?
Schwetzig: Glauben Sie, die merken das nicht? Ich kneife, und die werden noch dreister? - Nein, hier stehe ich und weiche nicht! Nur so kann einer wie ich in der Politik bestehen. Das werden die nicht erwarten, dass ihnen wenigstens einer Widerstand leistet und die freiheitliche Demokratie verteidigt, wenn nötig mit unserem Leben...
Schlägelmilg: Bismarck, wie er leibt und lebt! Herr Schwetzig, ich lerne immer wieder neue Seiten an Ihnen kennen.
Schwetzig: Frau Schlägelmilg, tun Sie, was Ihnen aufgetragen wurde! Ich muss mal... nach dem Rechten sehen.
Schlägelmilg: Natürlich, sofort Herr ... Schwetzig!

Ebentreu, Schlägelmilg.
Ebentreu: Du bist noch da? Ich dachte ihr hättet euch schon längst aus dem Staub gemacht? Da draußen ist Krieg.
Schlägelmilg: Wem sagst du das? Aber der Chef will von hier aus den Widerstand organisieren. Du verstehst, Lenin im Oktober.
Ebentreu: Wahrscheinlich dann schon eher Winston Churchill in Fulton.
Schlägelmilg: Ach, ihr im Wirtschaftsamt! Seid ihr eigentlich immer so schlau? Dann sage mir lieber, was ich noch alles mitnehmen muss, wenn es zum Schlimmsten kommt.
Ebentreu: Was zu trinken und ne Rolle Klopapier.
Schlägelmilg: Bist du nur gekommen, um hier rumzustehen und zu sülzen?
Ebentreu: Ich muss mich überall mal blicken lassen. Nachher kann ich immer sagen: ich war doch bei euch, ihr Sieger, in eurer schwersten Stunde, Seite an Seite habe ich mit euch gefochten.
Schlägelmilg: Wie du das ´89 auch schon fertig gebracht hast. Wie man sieht, hat es sich gelohnt und der fähigste Mann aus der Einsatzzentrale des Kraftverkehrs und stellvertretender Kreisvorsitzender der größten Blockpartei ist Leiter des Amtes für Wirtschaft und Strukturplanung geworden.
Ebentreu: Was ist daran falsch, wenn ich mich den gegebenen Umständen auf revolutionäre Weise anpasse? Das ist ein normaler Prozess, der im Übrigen Gewalt ausschließt.
Schlägelmilg: Die Duckmäuser von 33 haben das auch gesagt und sich das SA-Hemd frisch bügeln lassen.
Ebentreu: Das ist ein Schlag unter die Gürtellinie, Waltrude. Gerade du als DFD-Vorsitzende hast immer einen festen Klassenstandpunkt eingenommen, und jetzt bist du auf den Kassenstandpunkt ausgewichen. Sag bloß nicht, dass du illegal weiter am Kommunismus Unserer Lieben Frauen herumbaust.

Schlägelmilg, Ebentreu, Schwetzig.
Schlägelmilg: Im Vertrauen, Gundolf, dafür habe ich auch heute noch... Emanzipation ist für mich kein leeres Wort, verstanden? - Ha! Was ist das denn! Wirst du wohl draußen bleiben, du anarchistischer Lümmel! So tu doch was, um Himmels Willen! Rück den Schrank vor die Tür, schnell! - Verkriecht sich, der Held der Arbeit! Verschwinde, oder ich weiß nicht, was ich tue, ich vergesse mich...
Schwetzig: Frau Schlägelmilg, nicht! Ich bins doch...
Schlägelmilg: Ja, zum Donnerwetter, Herr Landrat, wie sehen Sie denn aus!?
Ebentreu: Habe ich mich erschreckt! Ich dachte schon...!
Schlägelmilg: Du warst ja plötzlich so klein, Gundolf, gar nicht mehr zu sehen...?
Schwetzig: Ebentreu, was tun Sie denn hier? Gehen Sie auf Ihren Posten in Ihrem Amt und verteidigen Sie die Stellung wie ein Mann!
Ebentreu: Zu Befehl, Genosse... ich meine Herr Schwetzig, Herr Landrat!
Schlägelmilg: Herr Schwetzig, Sie sehen ja aus wie ein echter Ledernacken, nicht mehr wiederzuerkennen! Auch im Gesicht, so hübsch getarnt! Wie in Der Tiger der sieben Meere.
Schwetzig: Machen Sie nur Ihre Witze! Man muss hier auf das Schlimmste gefasst sein. Ist alles fertig? Schließlich geht es auch um die Ehre der Region...
Schlägelmilg: ...der Nation.
Schwetzig: Ja, genau.
Schlägelmilg: Wenn ich Sie aber nicht erkannt hätte - womöglich, wenn ich was zu schießen gehabt...
Schwetzig: Nun beeilen Sie sich, Frau Schlägelmilg, wir müssen endlich...
Ebentreu: Entschuldigung, aber was sollen wir mit der Amtskasse..., ich meine, sollen wir...
Schwetzig: Evakuieren, Ebentreu! Packen Sie das wichtige Zeug zusammen und nehmen Sie es mit auf Gräfenfels.
Ebentreu: Gräfenfels? Ich bin doch aber Zivilist. Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun!
Schwetzig: Ebentreu, Sie sind verantwortlich! Ich vereidige Sie hiermit zu meinem Hilfssheriff. Führen Sie den Befehl aus, oder es knallt! Wollen Sie sich vielleicht freiwillig aufknüpfen lassen?

Schlägelmilg, Schwetzig
Schlägelmilg: Da schwindet er hin, wie eine Pfütze in der Sonne.
Schwetzig: Ich freue mich, dass Sie immer noch etwas zu lachen haben.
Schlägelmilg: Sie haben doch nun nichts mehr zu befürchten.
Schwetzig: Warum nicht?
Schlägelmilg: Sie brauchen nur stumm und regungslos stehenzubleiben, da wird man Sie für eine Grünpflanze halten. Vorsicht bei Hunden!
Schwetzig: Ich bitte mir ein Mindestmaß an Respekt aus!
Schlägelmilg: Jawoll, Herr Oberkommandierender..., Herr Landrat. Halten zu Gnaden, ob das mit dem Ebentreu und der Amtskasse eine gute Idee war? Immerhin sind da eine schöne Menge Steuer-, Buß-, Beitrags-, Gebühren- und andere Gelder beisammen?
Schwetzig: Was wollen Sie damit andeuten?
Schlägelmilg: Na ja, ich meine, gerade das ist es doch, was die Leute auf die Palme bringt: Bezahlen wie im Westen und verdienen wie im Osten. Keine Arbeit und kaum Einkommen, dafür aber feste zahlen für Infrastruktur und Beamtengehälter und Politikerdiäten. Dazu noch die Korruption. Der lässt sich ein Haus bauen und finanziert es aus der Landeskasse. Der andere reißt sich ein Grundstück unter den Nagel und bezahlt kaum was dafür. Die einen sorgen dafür, dass ihre Familie immer noch mehr verdient mit Staatsaufträgen. Der andere wieder stößt sich an Zuwendungen gesund, die er aus der Wirtschaft bekommt für passend eingefädelte Entscheidungen. Der unten bezahlt Steuern bis zum Umfallen. Der oben spart sich die Steuern, weil er die richtigen Leute kennt.
Schwetzig: Sind Sie verrückt geworden?
Schlägelmilg: Im Gegenteil, einmal muss es ja heraus. Von sowas kommt so ein Schlamassel da draußen! Schöne Reden sind das eine. Vernünftige Politik das andere.
Schwetzig: Wollen Sie mir erzählen, was Politik heißt?
Schlägelmilg: Ich bin ein Leninsche Köchin, falls Ihnen das noch etwas sagt. Mit der Berliner Kurventaktik und dem soziopathischen Blabla machen Sie mich nicht meschugge, Herr... Wayne, jetzt weiß ichs, Die grünen Teufel, so sehen Sie aus! Sie wissen doch, die fünf Amerikaner in Vietnam, die damals den Krieg gewonnen hatten, bis sich die Politiker zurückzogen. - Überhaupt, von wegen die Konjunkturerwartungen haben sich deutlich verbessert und all der Stuss. Ts, da kann ich nur lachen! Wenn ich heute eine Bockwurst esse und morgen zwei, da habe ich persönlich auch hundert Prozent zur Konjunkturbelebung beigetragen. Stimmts?
Schwetzig: Ich kenne Sie nicht wieder! Sie sind ja...!
Schlägelmilg: Ich bin gar nichts. Deshalb brauche ich mich auch nicht anzumalen wie eine Panzerechse. Ich habe keine Angst, dass man mich kennt...!
Schwetzig: Also, man könnte denken, Sie sind von einer ausländischen Macht gesteuert. Ob ich Sie unter den gegebenen Umständen noch für vertrauenswürdig halten kann, darüber muss ich ernstlich...
Schlägelmilg: Wenn Sie etwas zu verlieren haben, sollten Sie mir jetzt folgen, Herr Landrat. Schön aufpassen, dass auch ja alles sicher ist...
Schwetzig: Das Siegel, mein Gott, das Dienstsiegel! Beinahe..., in all der Aufregung... Frau Schlägelmilg... Früher hätte ich nicht gedacht... Also, was hätte ich um eine Revolution gegeben, wir beide einsam auf der Flucht...
Schlägelmilg: Die Jagd nach dem grünen Diamanten meinen Sie vermutlich. Aber Sie wissen doch auch, dass Ihre Frau Gemahlin...
Schwetzig: Also wirklich, was hat das mit meiner Frau zu tun? Ich meine, Sie haben so...
Schlägelmilg: ...schöne blaue Augen, nicht wahr? Ich weiß, was Sie meinen. Aber erst will ich sehen, ob Sie schweigen können.
Schwetzig: Wie ein Grab, wirklich! Sie glauben gar nicht, wie ich mich fühle. Jetzt sind Sie bei mir und mein Herz ist wie ein ..., ein... Heißluftballon, flammend stark und voller Auftrieb!
Schlägelmilg: Ach, du starker General! Was eine Revolution doch alles offenlegen kann. Dabei ist noch gar nicht Nacht. Es ist das Durcheinander und nicht die Morgenluft, die früh sich deinem trüben Trieb gezeigt. - Doch Liebe, die uns zueinander bringt, wird letzten Endes furchtbar werden... und mir hoffentlich ein wenig mehr Gehalt einbringen?
Schwetzig: Pfui! Waltrude! Meine Gefühle so zu missbrauchen! Wo ist das verfluchte Dienstsiegel? Das hätte ich Ihnen auch gleich sagen können...
Schlägelmilg: Mein starker General.
Schwetzig: Da ist es! Jetzt muss ich mich beeilen!
Schlägelmilg: Erst die IV a BAT Ost mindestens! Dann das Eigentliche auch.
Schwetzig: In Gottes Namen! Folgen Sie mir!

Ebentreu, Schwetzig, Schlägelmilg.
Ebentreu: Die schlagen uns tot, da draußen! Bleibt hier!
Schwetzig: Nun machen Sie mal keine Panik!
Schlägelmilg: Gundolf, weg von Fenster! Ich bringe die Akten sonst durcheinander.
Ebentreu: Die fuchteln mit ihren Knarren herum wie die ersten Volksmudjahedin in Teheran damals, als der Schah...
Schlägelmilg: Geh beiseite! Sonst kann ich hier nicht packen.
Schwetzig: Blödsinn, Ebentreu, die schaffen sich nur ein bisschen Bewegung. Aerobic, klar? Die andern sind Hooligans! Schon vergessen?
Ebentreu: Die Meute ist los! Kein Wunder. Bis jetzt haben sie wie die Lottospieler brav auf ihren versprochenen Gewinn gehofft. Nun schlägt man ihnen die Beine weg. Die Geduld ist zu Ende. Alle machen mit. Die Jungen und die Alten. Mit diesen verrosteten russischen Karabinern und Knütteln.
Schlägelmilg: Ach, diese Kerle! Stehen bloß unnütz im Weg herum.
Schwetzig: Wo bin ich da hineingeraten. Das ist, weiß Gott, kein Spaß mehr. Nun wirds Ernst. Was für eine Zeit. Ich bleibe hier! Gehen Sie, ich halte die Stellung. Marsch ab, nach Gräfenfels!

Schwetzig, Schlägelmilg.
Schlägelmilg: Warum wollen Sie nicht mitkommen?
Schwetzig: Einer muss ja die Drecksarbeit machen. Da muss man halt sein Leben aufs Spiel setzen. - Waltrude, bitte! Sag du zu mir! Wir müssen jetzt zusammenhalten wie Pech und Schwefel.
Schlägelmilg: Ob das gut geht? Was werden die Leute sagen? Ich bin schließlich nur eine kleine Sekretärin. Denk an deine Frau und die Kinder.
Schwetzig: Sprich nicht so. Ich weiß, auf dich kann ich mich verlassen. Zuerst muss ich jetzt an meine Funktion denken. Gesetze befolgen und durchsetzen. Die sollen mich fürchten lernen.
Schlägelmilg: Ein Mann, ein Wort! Ich bleibe auch.
Schwetzig: Nein, Waltrude. Folge den anderen zum Gräfenfels. Ich komme dann, sobald es geht, nach. Ich möchte dich nicht auch noch verlieren. Bitte.
Schlägelmilg: Ach, Rothmund! Ist das dein Ernst?
Schwetzig: Geh jetzt, bitte! Die Zeit wird knapp. Ich hab noch tausend Dinge zu tun.
Schlägelmilg: Wir sehen uns doch aber?
Schwetzig: Ich verspreche es dir hoch und heilig. Fort nun, bevor der Ebentreu und andere dir einen Platz im Wagen streitig machen. Schnell. Doch vorher einen Kuss?
Schlägelmilg: Flüchtig, ja. Wie in Wem die Stunde schlägt, findest du nicht? Ein starker Mann und eine schwache Frau. Doch denke dran, BAT Ost IVa.
Schwetzig: Ja, ja, nun raus hier! Ich habe zu tun.

Drafgenger, Schwetzig.
Schwetzig: Verdammt, Drafgenger! Sie erschrecken mich wie ein Teufel in der Geisterbahn!
Drafgenger: Sie kommen! Herr Landrat, sie kommen!
Schwetzig: Wer kommt wohin genau?
Drafgenger: Etwa tausend Zielpersonen haben soeben nach der Verwüstung der Polizeiinspektion, des Katasteramtes und der Büroräume der Stau-Behörde den Marsch in Richtung Landratsamt angetreten. Es ist anzunehmen, dass sie bei Betreten des Marktplatzes Verstärkung finden. Bei denen, wo sich dem Kösteritz angeschlossen haben. Sie tragen Transpirente mit Aufschriften wie: Wir waren das Volk! - Haut dem Profitgeier die Krallen ab! - Unser Land bleibt Bauernland, Junkerland ist abgebrannt! - Der Kanzler spricht von Faulheit dann, wenn er nicht mehr weiter kann!
Schwetzig: Was? Ernsthaft? Das trifft einen Sozialdemokraten ins Herz!
Drafgenger: Tatsache! Noch schlimmer: Schwarzer Kohl macht Wangen hohl! oder Das große Los - arbeitslos. oder Löhne rauf und Steuern runter, Verteilung nach kopfunter! oder Von Rhein und Isar haben die Großen, sich bei uns gesundgestoßen!
Schwetzig: Genug! Was soll das heißen?
Drafgenger: Die Leute haben den Kanal voll.
Schwetzig: Sind sie gewalttätig wenigstens?
Drafgenger: Bis jetzt nur gegen Akten. Sie brüllen laut: Entmachtet die Konzernbosse und ihre Berliner Henkersknechte!
Schwetzig: Drafgenger! Sind Sie von Sinnen, einen so zu erschrecken?
Drafgenger: So geht es da draußen zu. Zeigen Sie sich den Leuten! Versuchen Sie Beschwichtigungstaktik.
Schwetzig: Was!? In dem Aufzug?
Drafgenger: Schminken Sie sich ab. Ziehen Sie sich oben herum um. Fürs Fenster brauchen sie nur das Gesicht und das Jackett... Versuchen müssen Sie es. Sie haben die politische Verantwortung.
Schwetzig: Leicht gesagt. - Was soll ich sagen? Ich bin doch eigentlich gar nicht gemeint. Ich sitze mir meinen Hintern in Berlin nicht breit und mit den großen Steuern und Abgaben habe ich auch nichts zu tun.
Drafgenger: Aber Sie sind in derselben Partei.
Schwetzig: Sie nicht?
Drafgenger: Meine Partei ist in Bayern. Ich bin doch bloß kleines Mitglied, Herr Schwetzig, das wissen Sie doch.
Schwetzig: Sie sind mir der richtige Kampfhahn, Drafgenger! Ich brauche nun nicht mehr zu überlegen, warum die Sie so wortreich empfohlen haben, damals.
Drafgenger: Nichts für ungut, Herr Landrat
Schwetzig: Raten Sie mir lieber, was ich sagen soll.
Drafgenger: Viel reden und am besten nichts sagen.
Schwetzig: Sie sind ein gottverdammter Klugscheißer, Drafgenger!
Drafgenger: Der Ton ist schon richtig. Jetzt nur noch, dass Sie schon immer gegen die hohen Abgaben und gegen die Umverteilung von unten nach oben waren und so weiter. Erinnern Sie an die Erfolge. Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Unumkehrbarkeit der Bodenreform. Dass die Renten hier im Prinzip höher sind als in manchen Gebieten im Westen. Ich meine in unserm alten Vaterland im Westen. Jedenfalls, keinem geht es schlechter aber vielen besser und so weiter und so fort. Standort Deutschland. Die ständige Herausforderung der Globallisierung. Das muss deutlich hervorgehoben werden. Aufbau des Hauses Europa. Geschenk der Einheit. Sie wissen doch, wies der andere Kanzler auch immer gemacht hat.
Schwetzig: Dafür bekam er Eier auf den Kopf. - Was hätte man anders machen können?
Drafgenger: Was weiß ich? Die ganze Profitgeierei von der Treuhand bis zum Bau-Schneider und zum Leuna-Holzer hätte gebremst werden müssen. Die gnadenlose Geschäftlmacherei. Nur...! Das ist ja dann schon wieder die Position von den Kommunisten. Die haben ja die Treuhandanstalt eigentlich erfunden. - Aber ich glaube, das liegt am System. Allgemein, wissen Sie. Wir kleinen Leute hätten da sowieso nichts machen können. Wir zielen nämlich über Kimme und Korn!
Schwetzig: Am Beamten- und Duckmäuserimport vielleicht nicht?
Drafgenger: Herr Schwetzig, das geht aber jetzt unter die Gürtellinie. - Man kann nicht vom Staat immer mehr verlangen und ihm kein Geld geben. Das geht nicht. Da hatten Sie ja mit Ihrer DDR das beste Beispiel.
Schwetzig: Drafgenger, uns gehts doch gut. - Aber die da unten...! Die verdienen einen Bruchteil von dem, was Sie und ich...
Drafgenger: Irgendwoher... ich meine irgendwie muss das ja geschaffen werden. Ein freiheitlich demokratischer Rechtsstaat ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Chancengleichheit, ja. Aber das heißt ja nicht, dass jeder gleichermaßen... Seien wir mal ehrlich. Was nützt den Leuten denn ein höheres Einkommen? Sie geben es eh gleich wieder unnütz aus oder versaufen und verplempern den Rest im Ausland. Italien, alte Klamotten anglotzen. Spanien, Ballermann, Sie wissen schon.
Schwetzig: Verdienen sie zu wenig, werden sie erst recht rebellisch. - Das sehen Sie ja.
Drafgenger: Dafür haben wir ja den Rechtsstaat mit seinen vielfältigen Mitteln.
Schwetzig: Hören Sie auf, Drafgenger, mit Ihren Mitteln! Ich will nichts davon wissen. Jeden Tag dasselbe in der Zeitung, das reicht.
Drafgenger: Das ist ein ziemlich frommer Wunsch, Herr Landrat. Die Freiheit unseres Staatswesens ist unteilbar. Ein paar Tote mehr, und sie werden sehen, die Freiheit wird immer kostbarer. Was schadet das schon?
Schwetzig: Den Leuten weniger abzuknöpfen und sie in Ruhe arbeiten zu lassen schadet auch keinem. Am wenigsten der Freiheit, die Sie meinen.
Drafgenger: Aber, aber! Warum denn gleich so spitz? Ich denke, Sie sind Politiker. Reden Sie zu den Leuten, bringen Sie sie zur Räson. Dann sind Sie ein gemachter Mann. Könnten nach der nächsten Wahl sogar in der Landesregierung eine maßgebliche Rolle spielen. Ein kalkulierbares Risiko müssten Sie schon eingehen. Es ist doch ein Spiel, oder nicht? Der eine gewinnt, der andre verliert. Wir haben die besseren Karten. Glauben Sie mir.
Schwetzig: Also...? Was soll ich sagen? Sie sind doch der Demokratieberater der ersten Stunde.
Drafgenger: Hätten Ihresgleichen von Anfang an den Rat befolgt, den man Ihnen gegeben hat, wäre da unten nicht so eine Randale.
Schwetzig: Was, bitteschön, ist Ihr Rat?
Drafgenger: Gleich von Anfang an die Daumenschrauben. Kostendeckende Gebühren fürs Wasser und verwaltungstechnische Leistungen. Keine sozialen Subventionen. Beitragspflicht bei infrastukkaturellen Maßnahmen. Rückgabe vor Entschädigung... Keine Zugeständnisse! Denken Sie an die investitutionsfördörnde Rolle des Mittelstandes und der Industrie. An die vielen Arbeitsplätze, die geschaffen...
Schwetzig: Drafgenger, hören Sie auf! Ich kann es nicht mehr hören. Glauben Sie im Ernst, die Leute lassen sich damit auf Dauer satt machen?
Drafgenger: Es ist zum Wohl der Wirtschaft. Floriert die Wirtschaft, lebt der Staat auf und seine Diener ohne Sorgen.
Schwetzig: Für Spruchweisheiten ist heute nicht die rechte Zeit. Gefahr ist im Verzug. Die Karre steckt im Dreck.
Drafgenger: Der Ehrgeiz kommt, wenn es um die Pfründe geht. - Wir fühlen uns als Esel, die Golddukaten scheißen, und merken, dass andere sich dran freuen. Da denkt ein jeder Graurock bei sich Solche Freude sollt auch ich mir gönnen. Steckt sich alle Taschen voll. Ist das gegen Gottes Willen? Nein! Erstens gebe ich ihm ein bisschen davon ab, denn mein Parteibeitrag ist Gottes Lohn. Zweitens: Was passiert wenn ich es liegen lasse? Ein anderer nimmt es! Dann ist es schon besser bei mir aufgehoben. - Was soll nun geschehen?
Schwetzig: Irgendwas versprechen muss ich denen. Sonst steht Polen offen. Die Wasserpreise und zwei, drei andere Gebühren kann ich ja zur Prüfung ankündigen. Die Landwirtschaft soll in Gottes Namen bei den Genossenschaften bleiben
Drafgenger: Da werden aber die Leute übermütig.
Schwetzig: Soll ich die Region in Schutt und Asche legen lassen?
Drafgenger: Die Autorität des Staates steht in Frage.
Schwetzig: Ihr Staat hat mein Mitgefühl. Es nützt mir wenig, wenn er sich auf die Art in Gefahr begibt. Es geht schließlich um meinen Kopf.
(...)