Werralegende
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(...) Wie die blumigen Wiesen streng teilte die Werra zu beiden Seiten, So streute, heimlicher Grille folgend, die einzelnen Menschenwillen Leichthin der Gott, trug an dem Für ein gleiches Maß als dem Wider. Die Menschen, derart füglich geschieden, stäupten ihre Bilder fortan streitend Gegeneinander, trugen frische Mauern jahrtausendweis in Trotz und Weh Zaglos am Fluß auf ihres Lebens, hinweg über die Grenzen gewundener Ufer, Im rohen Getümmel, fern scheinend als Gleichnis für Eintracht und Strenge.
Doch tobte des trotzgen Zwistes Gewalt, der Winterlast aus den Bergen gleich, Die zur Frühjahrsschmelze jäh die keimenden Früchte der Hoffnung bedrohte. Trostheischend drängte eng die Herde im Angesicht entgrenzter Gestade dann, Über die Äcker hin weit schlagender Wellen. Dies alte Licht noch leuchtet den Lohn, Auch heute, hell den Weisen der Stadt. Träges Gewicht und trübes Geflüster, Neidqual, bohrend in engen Stirnen, vergoren im dumpfen Nebel winkliger Gassen, Saugen an den Herzen gierig Blut noch immer, brechen tags der Arbeit feurige Kraft.
Hereingebetne Unbill tat heilsam Schrecken, trieb stets den Dampf aus den Köpfen, Ließ drohende Wetter sich lüften, die mit Grollen zögernde Hände erschreckten. Die Seelen gelöst, gewährte Einsicht nun wieder weiten Blick über den Sternsaum Des eignen Winkels, feste Zuversicht die geläuterte Brise den frei atmenden Menschen. Widerrede indes gab die Werra auf nicht gestellte Fragen und blieb ohn Bekümmern Erwartete Auskünfte schuldig, glitt Well auf Welle mit ergeben drängendem Gleichmut Am Wurzelstock treibend der nächsten Wende, ihrem fremden Ziel entgegen.
Wohin, Gefährtin der Zeit, führt dich dein Wandern, sticheln die Fische mit Behagen, Wähnen flußaufwärts sich ziehen am Morgen und stehn doch am Abend im gleichen Geviert Müde unterm Schatten desselben Baumes, den in der Frühe mit Wehmut sie verlassen. Die Werra, funkelnde Lust nun im roten Schein der warmen Sonne, mag nicht hinschaun Auf die mäulig unverständgen Geschöpfe im goldspiegelnden Netz. Sanft spricht sie, In hoher Würde, mit freundlichem Geiste, den Gleichklang der Absicht in allem Sein. Ergriffen schweigen die Fische, im dunklen Grund ihres Heimatwassers sich bergend.
Nah am Rennsteig gelang froh ich herauf nach vorgewiesnem Weg durch finstre Höhlen Unversehn ans Licht, wo durch namenloses Gefild nicht mehr Gewißheit leitet meinen Lauf. Wohl läßt der Tag ein klares Ziel nach langem Gang in unterirdscher Nacht erwarten, Doch welches sollt ich wählen, wenn mühelos im vorgetretnen Bett ich talwärts treib. Zu mir verirrt, aus andern Quellen, kommen Bäche, beladen mit der gleichen Fragenlast, Die ohne Antwort bleibt. Im Fernen, unten weit, unnahbar das Meer, und ists erreicht, Werd ich es kaum gewahr, weil schon ein andrer Sinn auf neuer Bahn uns führt.
Verständge lauschten ewigher zur rechten Zeit dem flüsternden Sprudel ab solche Kunde. Dann schoß die Werra zu eifersüchtgem Broden hoch und riß ihre Seelen all mit. Die aber ihr Tagwerk immerfort pflegten, blieben zurück im Schatten der Bäume, Zu bescheiden sich auf das Maß eigner Art. Nicht gebeugt wolln sie stehn voreinander, Gekettet nach fremden Gesetzen. Erhobenen Haupts, ohne Furcht, richten sie ihren Blick Auf die glückliche Zukunft alter Hoffnungen, eifernd gleichsam in den Ufern des Flusses, Der erhabenen Stroms die Eilfertigen meidet und ihr Streben gelassen bedenkt. (...)
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