Texte
 
Prometheus Diaphthorese
(...)
Das Tor sei aufgestoßen weit der mythisch schweren Flügel wieder,
die leicht ins Dunkel neu sich öffnen dem Blick auf diesseitigen Ort
und frei geleiten zaubrisch hell die Reise hin auf dieser Brücke
hinüber ins Gefild der Schwäche, der Erde und des Himmels Raum,
wo jeder Größe Gaukelei und auch der künftge Rausch der Allmacht,
sich stets des engen Drangs gewärtig. Die rasend sture Gläubigkeit
reißt hin die Menschen triebhaft stumm, als Fremde spiegelgleich ergeben
dem ewig Fremden zur Verdammnis, zur bloßen Sorge gierig fort.

(...)

Unerzeugt noch lagen der Sterblichen Geschlechter drei, noch fehlte
dem Weltgebäu aller lebenden Wesen der Schlußstein zur Harmonie.
Der Götter erster Bildner sorgte, den Sterblichen jenes zu nennen,
welches, in allem maßgleich, heißt das Göttliche sowie das Leitende,
auf daß gepaart titanischer Verstand auf Erden sei mit seinem Recht.
Aufgetragen war es den Titanen, dies ein den Sterblichen zu pflanzen,
sodann der namenlose Gott erschiene, zu bilden die Samen und Keime.

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(Hiob vor Prometheus. Erste Klage)
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Das Leben, wie es mich gestellt, so tret ich unter dich als Gleicher,
an fernem Weltgestade schroffen Steines festgefügter Halde,
worin die Fesseln deiner Glieder tief und starr verankert sind,
weil Zeus, der schwache Gott, von Angst gehetzt, die Nebelklüfte
rings, wild und leer, zum Spottbild deines Werks, Titan, erkoren.
Du hast die scheinbar allgewaltgen Schnauberein des Donnergotts
missachtet und zum Narren ihn gehalten, weil einem Rübenschädel
wie dem seinen die überlebte Zeit gar zu behaglich wähnen musste.
Die gloriose Eifertat, mit der uns Menschen du zuerst erschufst,
büßest durch Äonen du im maßlos wiederkehrnden Schrecken,
den Vater Zeus, täglich raubend deines Lebens neue Zuversicht,
dir ohn Erbarmen mit gezieltem Hieb des Sorgenvogels auferlegt.
Uns gleicht die Art, wie alle guten künftgen Pläne fortgestoben,
wie alle Träume von der Welt des Heils uns jäh genommen sind.

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(Hiob vor Prometheus. Zweite Klage)
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Von aller Schuld beladen, von der Last der Buße hingebeugt,
tret ich, Gefesselter, wieder dir entgegen, vor dein Angesicht,
zu Klagen, rettenden Rat zu suchen jenen, welche überlebt.
(...)
und sagte, es sei uns gegeben von dir, kreuzweis Geschlagener,
in Ketten an den nackten Fels genagelt, am Rand des Abgrunds,
dem im hellen Osten der Sonnenwagen täglich neu entsteigt.
Den Formstab ritztest kühn du in den Lehm, der, durchgewalkt,
sich aus dem trocknen Staub der Erde und deines treuenVetters,
Poseidons Welle, sich ergab in deiner Hände göttliches Geschick.
Nun sieh, aufgerissen ist das Fleisch uns, zur Weiße der Knochen
blickst du und tief zum blutig zuckenden Herzen deines Volkes,
begegnest stierer Angst im Blicke deiner aufrechten Geschöpfe,
zersägt sie samt vom blanken Stahl, der glutgehärtet in der Lohe
deiner Himmelsbeute, im Schwung geführt von unsern Brüdern.
Pandoras traute Töchter liegen zerbrochen mit blutenden Augen,
sieh hin, wie über von Samenmilch quellen ihre zertretnen Schöße,
von unserm eigen Fleisch und Blut viehisch rasend hingemetzelt.
Senke offen deinen Blick zu diesem Jammerwerk der Schande.
Sieh wie sich im öden Wahne deines Bruders beschränkte Geisteskraft
dein Volk hinkrümmt,
des der bittren Reue greller Nachsicht waltenden Epimetheus.
Sprich jetzt, zur rechten Zeit noch, von deinem Stolz dich los,
den wir dir aufgelobt im Eigensinne kindlichen Entzückens
und der dich forttrieb, deiner Schöpfung unbedacht vertrauend,
der deinen jungen Geist entlud, auch löckte gegen Vatergott
im Wahne, dir in Trübnis für Disteln gaukelte der Eichen
feste Saat und hoch und höher trieb dein eitles Unterfangen.
Das tätige, vom grauen Anbeginn der Zeit obwaltende Gesetz,
das ehern unterm Zwang der Tat die Götter all verwahrlost,
bis ins letzte Glied zerstritten, sich selbst vernichten ließ,
rüstet nunmehr seine Schärfe gegen dich und uns, dein Volk.
Zum ersten Male lohnte Zeus früh deinen Übermut mit Groll.
War er im Recht, so mochte er am wenigsten ermessen,
wie weit die Feuerlohe, der wechselvolle Atem des Gesetzes,
zehrend die Folgen uns zu tragen auferlegt. Wie sprang damals
die Freude über auf die Tatkraft, von deinem reinen Streben hochbeseelt,
doch ohn Bedacht auf unser sehnsuchtstummes Weh,
die zeusgefluchte Einzelung der Willen, herausgeformt im Sturm,
der aus Pandoras Kasten auf uns niederging, ein Würgegriff,
mit dem der Vatergott, wie dieser letzte Sohn sich nennen ließ,
auch das ihm geltende Gesetz uns vor die Füße warf, freudig
sich darob am Throne räkelnd, wo ihn der Zeiten Eiswind,
der stumme Vektor aller Welt Geschichte, tödlich schon umwehte.
Bösen Denkens Wurzel ist der Haß ums Haben, jener Krankheit,
die als schlimmste Plage dem Gefäß entwich, das seit der Stunde
uns vorenthält zum Tort stummer Hoffnung endliche Verheißung.
(...)